Trotz hochqualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, umfangreicher Ressourcen und gut etablierter Prozesse bleiben in vielen Organisationen große Potenziale ungenutzt. Die vorhandenen Strukturen und Prozesse z.B. Hierarchien, Vorgaben, Standards und kulturelle Regeln, ermöglichen vieles und schaffen Effizienzen. Gleichzeitig verunmöglichen sie auch vieles. Veränderungsimpulse werden eher blockiert als gefördert, so manche Innovation wird im Keim erstickt. Man könnte sagen: Zuständigkeiten, Stellenbeschreibungen, definierte Aufgaben und zu befolgende Prozesse machen angrenzende Potentiale eher unsichtbar. Mitarbeitende fühlen sich vielleicht nicht ausreichend gehört, gefragt oder befähigt, ihre anderen Ideen und Fertigkeiten einzubringen. Hinzu kommt oft eine Fokussierung auf den eigenen Verantwortungsbereich und den eigenen Prozess, der den Austausch zwischen Teams, Abteilungen erschwert und so die Entfaltung von Synergien oder auch nur Irritationen durch anderes, neues verhindert. Sie führt auch dazu, dass Mitarbeitende bestimmte Potentiale nicht zu Verfügung stellen (können), vielleicht sogar selbst gar nicht vor Augen haben.
Die Herausforderungen, ungenutzte Potenziale zu entdecken, lässt sich mit gezielten Interventionsmaßnahmen angehen. Der Schlüssel liegt darin, bestehende Ordnungsmomente, Regeln und Routinen zunächst für eine bestimmte Zeit außer Kraft zu setzten oder zu pertubieren (irritieren).
Wir haben in unseren Organisationsentwicklungsprojekten viele Interventionen beobachtet, verproben lassen und selbst eingeführt. Exemplarisch und überblicksartig möchten wir Euch hier ein paar Denkanstöße geben, wie man Tools und Prinzipien einsetzen kann, um Mitarbeitenden Potentiale und Organisationspotentiale sichtbar zu machen.
1. Das Pull-Prinzip: Mitarbeitende wählen selbst, was sie tun wollen
Das Pull-Prinzip ist eine Methode, bei der Mitarbeitende die Freiheit haben, ihre Aufgaben und Projekte selbst zu wählen. Anders als im klassischen „Push“-Modell, bei dem Aufgaben von Führungskräften zugeteilt werden, ermöglicht das Pull-Prinzip eine selbstbestimmte Arbeitsweise. Dies fördert die intrinsische Motivation und erhöht die Einsatzbereitschaft, da die Mitarbeitenden Projekte wählen, die ihnen am meisten zusagen und bei denen sie ihre Stärken optimal einsetzen können oder bei denen sie sich ausprobieren wollen.
Ein Beispiel aus der Praxis ist das Softwareentwicklungsunternehmen Spotify, das auf dieses Prinzip setzt. Bei Spotify wählen die Entwickler*innen selbst, an welchen Features sie arbeiten möchten. Dies schafft nicht nur Engagement, sondern führt auch zu besseren Ergebnissen, weil die Mitarbeitenden mit vollem Einsatz hinter ihren Projekten stehen.
2. Kreativzeiten: Raum für Innovation schaffen
Kreativzeiten sind fest eingeplante Zeitfenster, in denen Mitarbeiter*innen abseits des Tagesgeschäfts an eigenen Ideen und Projekten arbeiten können. Diese Zeiten sind bewusst frei von operativen Aufgaben und bieten Raum für Experimente. Unternehmen wie Google haben dieses Prinzip erfolgreich implementiert: Durch das bekannte „20%-Projekt“ dürfen Mitarbeitende einen Teil ihrer Arbeitszeit für eigene Ideen nutzen. Produkte wie Gmail oder Google Maps sind aus solchen Kreativzeiten entstanden.
Kreativzeiten fördern nicht nur die Innovationskultur, sondern auch die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter*innen. Sie bieten die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erproben und zu vertiefen, was letztlich dem gesamten Unternehmen zugutekommt.
3. Erhöhung der Autonomie: Das P1-Consulting Autonomiemodell
Das P1-Consulting Autonomiemodell setzt auf die schrittweise Erhöhung der Autonomie von Teams und Einzelpersonen. Autonomie ist ein zentraler Faktor für Motivation und Innovationskraft, denn je mehr Entscheidungsfreiheit die Mitarbeitenden haben, desto mehr Verantwortung übernehmen sie für ihre Arbeitsergebnisse. Das Modell bietet dabei einen strukturierten Ansatz, um Autonomie gezielt zu steigern, ohne dabei die Unternehmensziele aus den Augen zu verlieren.
Der Ansatz umfasst verschiedene Stufen, die von der schrittweisen Einführung von Entscheidungskompetenzen bis hin zur vollständigen Eigenverantwortung reichen. Dabei werden klare Rahmenbedingungen definiert, innerhalb derer sich die Teams frei bewegen können. Die Ergebnisse zeigen, dass autonome Teams häufig kreativer und produktiver sind, da sie eigenverantwortlich handeln und schneller auf Veränderungen reagieren können.
4. Pflicht zum Widerspruch: Kritische Reflexion fördern
Die „Pflicht zum Widerspruch“ ist eine Kulturmaßnahme, die darauf abzielt, kritisches Denken und offenen Diskurs zu fördern. In Organisationen, die dieses Prinzip leben, wird nicht nur erlaubt, sondern sogar erwartet, dass Mitarbeitende Entscheidungen hinterfragen und konstruktive Kritik üben. Amazon lebt dieses Prinzip unter dem Motto „Disagree and Commit“, was bedeutet, dass es völlig in Ordnung ist, anderer Meinung zu sein, solange man sich am Ende für die gemeinsame Sache einsetzt.
Diese Kultur der kritischen Reflexion verhindert Gruppendenken und sorgt dafür, dass Entscheidungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Dadurch entstehen häufig bessere Lösungen, weil auch unkonventionelle Ideen eine Chance bekommen.
5. Initiativen-Sprints: Ideen schnell umsetzen
Initiativen-Sprints sind eine agile Methode, bei der jede Initiative, die mindestens 10 % der Abteilung als Unterstützer*innen findet, sofort Ressourcen zur Umsetzung erhält. Diese Form der demokratischen Projektinitiierung fördert die Vielfalt und ermöglicht es, schnell neue Ideen zu testen, ohne lange Genehmigungsprozesse durchlaufen zu müssen.
Ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung ist das Unternehmen Zappos, das ähnliche Ansätze nutzt, um neue Konzepte in der Kundenbetreuung zu erproben. Kleine, agile Teams arbeiten an Pilotprojekten, deren Erfolg oder Misserfolg schnell bewertet wird. Dies reduziert das Risiko und steigert die Lernkurve, da viele Ideen in kurzer Zeit umgesetzt und ausgewertet werden können.
6. Reverse Mentoring: Lernen in beide Richtungen
Reverse Mentoring dreht die traditionellen Rollen des Mentorings um: Jüngere Mitarbeiter*innen übernehmen die Rolle der Mentor*innen und schulen ihre älteren Kolleg*innen in neuen Technologien, digitalen Trends oder modernen Arbeitsmethoden. Unternehmen wie BMW und Microsoft setzen Reverse Mentoring ein, um den Wissensaustausch zwischen den Generationen zu fördern und Barrieren abzubauen.
Diese Methode bietet den Vorteil, dass nicht nur technisches Know-how vermittelt wird, sondern auch ein Verständnis für die Denkweise und Bedürfnisse der verschiedenen Generationen entsteht. Es stärkt die Zusammenarbeit und bringt frische Perspektiven in traditionelle Arbeitsweisen ein.
7. Cross-funktionale und generationenübergreifende Teams: Synergien nutzen
Cross-funktionale und generationenübergreifende Teams kombinieren die Stärken unterschiedlicher Fachrichtungen und Altersgruppen. Durch die Zusammenarbeit von Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen und Generationen entstehen neue, oft überraschende Lösungsansätze. Ein gutes Beispiel ist SAP, wo interdisziplinäre Teams regelmäßig neue Produkte und Services entwickeln.
Diese Teams profitieren von der Vielfalt an Erfahrungen und Denkansätzen, die ein Einzelteam nicht leisten könnte. Sie ermöglichen es, Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und Potenziale zu entdecken, die in homogenen Gruppen möglicherweise übersehen worden wären.
8. Rollenbasiertes Arbeiten: Mehr Flexibilität durch dynamische Rollenverteilung
Rollenbasiertes Arbeiten gibt Mitarbeitenden die Möglichkeit, flexibel zwischen verschiedenen Rollen zu wechseln, je nach Projektanforderungen und persönlichen Stärken. Dieses Konzept bricht mit traditionellen, starren Jobprofilen und ermöglicht es den Teams, sich dynamisch zu organisieren.
Unternehmen wie Valve, ein führender Entwickler von Computerspielen, nutzen rollenbasiertes Arbeiten, um flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren. Mitarbeitende können je nach Interesse und Expertise unterschiedliche Rollen einnehmen, was die persönliche Entwicklung fördert, und die Effektivität der Teams steigert.
9. Gemeinsam Innovationspotenziale finden: Kollektives Brainstorming stärken
Innovationspotenziale entfalten sich am besten in einem Umfeld, das den Austausch und die Zusammenarbeit fördert. Methoden wie Design Thinking Workshops, Open-Space-Konferenzen oder Hackathons bieten einen strukturierten Rahmen, um gemeinsam an neuen Ideen zu arbeiten. IBM und SAP setzen auf solche Formate, um die kollektive Intelligenz der Belegschaft zu nutzen und unkonventionelle Lösungen zu entwickeln.
Diese kollaborativen Ansätze fördern nicht nur die Ideenentwicklung, sondern stärken auch die interne Vernetzung und den Teamgeist. Der strukturierte Austausch bringt unterschiedliche Perspektiven zusammen und schafft einen Raum, in dem neue und kreative Ansätze entstehen können.
10. Konkrete Tools: Fünf digitale Werkzeuge, um Wissen zu sammeln und zu teilen
Um die oben genannten Interventionsideen zu unterstützen, bieten digitale Tools eine wertvolle Hilfe. Sie fördern den Wissensaustausch, die Zusammenarbeit und die Umsetzung von Ideen. Hier sind fünf konkrete Tools, die sich in vielen Unternehmen bewährt haben:
Geh den ersten Schritt: Schau dir deine aktuellen Arbeitsweisen an, beziehe deine Teams ein und beginne, diese bewährten Methoden in den Arbeitsalltag zu integrieren. Stärke dein Team, fördere Innovationen und sieh zu, wie deine Organisationspotentiale gehoben werden. Möchtest du Unterstützung bei der Umsetzung?
Kontaktiere uns! Wir freuen uns darauf, dich auf dieser spannenden Reise zu begleiten.