Bestand vor geraumer Zeit bei vielen noch die Hoffnung, dass wir mit natürlich deutlich mehr digitaler Effizienz, aber dann doch zum „normalen Arbeiten“ werden zurückkehren können, zeichnet sich immer deutlicher ab, dass wir es in der Zukunft vermutlich mit wirklich neuen Arten der Organisiertheit zu tun haben werden. Dies bedeutet auch eine neue Herausforderung für Menschen, die ihren Beitrag in Organisationen aus einer Führungsrolle heraus leisten.
Haben wir uns bis jetzt an die Gegebenheiten technisch angepasst und im wahrsten Sinne in unseren individuellen Setups selbstorganisiert (technische Skills erworben und ausgebaut, Voraussetzungen für Homeofficearbeit geschaffen, familiäre und räumliche Voraussetzungen weiterentwickelt), stehen wir nun schon der nächsten technischen Herausforderung gegenüber. Wie arbeiten wir hybrid (ein Teil des Teams remote, ein Teil vor Ort)? Welche Technik ist sinnvoll, welche Tools? Eigentlich ist auch schon klar, dass wir in Zukunft blended Formen (Mischkonzepte aus online, vor Ort und hybrid) der Zusammenarbeit erleben werden, womit sich die Frage stellt, wie organisieren wir in Zukunft synchrones, asynchrones, remote, hybrid und vor Ort arbeiten als Gesamtarbeits- und Zusammenarbeitskonzept.
Ein Großteil unserer Kunden hat schon Regelungen getroffen, z.B. zu dem Recht der Mitarbeitenden von Zuhause aus zu arbeiten (Anspruch auf eine gewisse Anzahl von Tagen). Als nächstes stellt sich dann die Frage nach der technischen Ausrüstung und noch einige andere: Was ist als Arbeitsplatz anerkannt usw. Die Diskussionen und Diskurse rund um dieses Thema sind sehr wichtig, leider sind sie aber schwerpunktmäßig aus rechtlichen und versicherungstechnischen Blickrichtungen getrieben.
Die eigentlich wichtige Frage „Was macht für unsere Organisationseinheit Sinn?“ steht dabei nach meiner Beobachtung nie im Vordergrund. In produzierenden Organisationseinheiten stellt sich die Frage nicht, in den meisten anderen Einheiten lässt sie sich wahrscheinlich innerhalb der gleichen Organisation sehr unterschiedlich beantworten: Von „eigentlich haben wir bei der individuellen Leistungserbringung keine Berührungspunkte“ bis hin zu „es wäre sinnvoll, dass wir täglich einmal physisch zusammenkommen“.
Meine Empfehlung an alle Führungskräfte an dieser Stelle ist, diese Frage gemeinsam mit dem Team möglichst rasch zu beantworten. Dabei könnte es hilfreich sein, sich folgende Dinge anzuschauen, hier mit ein paar exemplarischen Fragen:
Wie sieht unserer Leistungserbringungsprozess eigentlich genau aus?
Welche Form der Fortschrittdokumentation macht für alle Arbeitssettings (Blendend) Sinn?
Wie nutzen wir Kollaborationstools (z.B. MS Teams, Kanäle, Messenger, gemeinsame Dokumentenbearbeitung und live Videokonferenzen) und kennen wir alle Funktionalitäten?
Welche Meeting- und Kommunikationsstruktur macht mit Hilfe der neuen technischen Möglichkeiten Sinn, die auch ein blended Setup trägt?
Wo wird Konzentrationszeit benötigt, wo Erreichbarkeit? Welche Regeln brauchen wir dazu?
An welchen Tagen treffen wir uns (wenn möglich) verbindlich im Büro oder online (und warum?) und wann kann jeder selbst entscheiden, wie/wann und wo er/sie arbeiten will?
Was kommunizieren wir zukünftig asynchron und was synchron auf welchen Kanälen?
Wie organisieren wir informelle Kommunikation und persönlichen Austausch in einem blended Setting?
…
Eine der größten Herausforderungen, die sich für Führungskräfte abzeichnet – das ist allerdings nur meine persönliche Ableitung aus den berichteten Erfahrungen –, ist es, die individuellen Präferenzen und zum Teil persönlichen Lösungen der letzten Monate zu einem neuen gemeinsamen Setup zu moderieren.
Der hohe Individualisierungsgrad in der aktuellen Arbeitsorganisation bietet für viele Teams ein hohes Konfliktpotential. Die „selbstorganisierte“ Selbstorganisation der letzten Zeit, die in den meisten Fällen gute Ergebnisse erzielt hat, wollen viele Mitarbeitende nicht gerne aufgeben, im Gegenteil, alles was danach aussieht, Freiheitsgrade zu beschränken, wird in der Tendenz abgelehnt.
Das ist aber nur ein Teil der Herausforderung. Der andere Teil ist, die neuen Möglichkeiten, Tools, Optionen zu kennen oder zu verproben und gleichzeitig am eigenen (neuen) Führungskonzept zu arbeiten.
Eine unsere wesentlichen Erkenntnisse auf dem Weg zur Selbstorganisation ist es, die Selbstorganisation zunächst zu führen und zu moderieren, Regeln und Prozesse stringent anzulegen, zu verproben, anzupassen und solange auf deren Einhaltung zu achten, bis sie im organisationalen Gedächtnis verankert sind und dabei gleichzeitig die eigenen Führungsglaubensätze weiterzuentwickeln und anzupassen. Wenn für alle der Rahmen klar ist (und auch gerne gemeinsam weiterentwickelt werden kann), entfaltet die Selbstorganisation ihre eigentliche Wirkung.
Zwei sich ähnelnde Tools, die Euch dabei helfen können, diesen Rahmen zu entwickeln, findet ihr hier:
Hybrid Work Canvas (wondercards.world)
Ich freue mich über Hinweise zu Euren Erfahrungen auf dem Weg in eine neue Arbeitswelt.
Wer sich noch mal Teil 1 von Dirks Mini-Reihe durchlesen möchte, kommt hier zum ersten Blogbeitrag.