Zu Beginn diesen Jahres hat der Harvard Business Manager in seinem Sonderheft Leadership renommierte Wissenschaftler, Vordenker und Manager gefragt: Welches ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Frage, die sich eine Führungskraft stellen sollte. Kurz vor dem zeitlichen Zenit dieses Jahres haben wir einige, aus unserer Sicht relevante, Impulse aus dem Tagesgeschäft gekramt... So fragt Dietmar Fink, Inhaber des Lehrstuhls Unternehmensberatung und -entwicklung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg vor dem Hintergrund der immer kleiner werdenden Welt, welche uns immer schneller über den Kopf zu wachsen scheint: „Was ist wirklich wesentlich? Und zwar für das Unternehmen, meine Kollegen – und für mich selbst?“
Rückbesinnung auf das was wirklich zählt, sei der beste Weg, Struktur in eine unüberschaubare Welt zu bringen. Für Unternehmen gelte weiter der ökonomische Grundsatz. Umsatz minus Kosten gleich Gewinn. Alles was dieser Gleichung nicht standhalte, könne ein Unternehmen verwerfen... Auch mancher betriebsinterne Konflikt lasse sich handhaben, wenn er man ihn auf das Wesentliche zurückführte: „Worum geht es den Kollegen/Mitarbeitern wirklich?“
Wer die versteckten Ziele seiner Kontrahenten kenne, könne Kompromisse finden – auch abseits der reinen ökonomischen Vernunft... Der Kern der Fragestellung sei jedoch: „Worum geht es mir selbst? Bin ich noch auf dem richtigen Weg, den ich einmal einschlagen wollte? Was habe ich erreicht? Beruflich, privat, intellektuell? Solche Fragen können zu Demut führen – oder aber zum Wunsch, das Wesentliche wieder stärker in den Fokus des eigenen Handelns zu rücken.“ Der Theologe und Wirtschaftsethiker Ulrich Hemel stellt die Frage: „Welchem inneren Bild, welchem inneren Kompass folgen Sie und Ihre Firma?“
Laut Hemel gebe Führung im besten Fall Orientierung und reduziere Komplexität. Sie schaffe Räume zur Entwicklung von Menschen, Produkten, Lösungen und Unternehmen. Anspruchsvolle und teilweise neue Herausforderungen warteten auf die moderne Führungskraft: Es gehe nämlich nicht mehr nur um Kernkompetenz, sondern um dahinter liegende Gründe von Kompetenz: Dem inneren Bild. In seiner Antwort stellt er klar für wie wesentlich er die Existenz und Klarheit eines solchen Bildes für gelingende Führung hält: „Ein solches inneres Bild muss den realen Handlungen der Organisation und den Personen entsprechen. Dann ist Führung stimmig. Wer führen will, muss wissen wo er oder sie herkommt und hinwill. Und was genau er oder sie nicht mitmacht“... Das innere Bild einer Person oder Organisation markiere eine Grenze und sei zugleich Identität. Es sei Ursprung von Kompetenzentfaltung und Quelle strategischer Orientierung. Jörg Rocholl ist Präsident und Managing Director der European School of Management and Technology. Er fragt: „Wann haben sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?“ Unternehmen seien mehr denn je gefordert, neue Ideen zu entwickeln und sich mit Innovationen im Wettbewerb zu behaupten.
Seine These ist, dazu brauche es Mitarbeiter auf allen Ebenen, die altvertraute Pfade verlassen, ungewöhnliche Wege und damit Risiken (ein-)gingen. Seine Beobachtung sei jedoch vielmehr: „Wir tendieren eher dazu, beim Bewährten zu bleiben und uns mit Personen zu umgeben, die uns ähnlich sind und unsere Denkweisen bestätigen“. In seiner Frage drückt sich die Forderung verbunden mit der Annahme aus, das nur Brüche in unserem Umfeld und im eigenen Kopf neue Gedanken, Meinungen und letztlich Taten zulassen. Innovation könne nur entstehen, wenn Führungskräfte sich fragten wie es mit ihrer Fähigkeit aussehe, neue Wege zu gehen. Denn erst wenn diese gelernt hätten selbst innovativ zu denken, könnten sie dies auch von ihren Mitarbeitern einfordern. „Warum suchen Sie immer nach Sicherheiten?“ fragt Professor Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Immer wieder, so seine Beobachtung, fielen wir auf Menschen und Theorien herein, die uns Bestimmtheit vorgaukelten, obwohl wir doch inzwischen wissen sollten, dass es vollkommene Sicherheit auf dieser Welt nicht gebe - selbst wenn wir mithilfe von Daten noch so viel analysieren wollten.
Seine Empfehlung lautet, wieder mehr der Intelligenz des Unbewussten, der Intuition zu folgen. „Wir stehen vor einer Entscheidung und wissen ohne Nachdenken sofort, welches die richtige Vorgehensweise ist.“ Eine unserer Lieblingsfragen an dieser Stelle lautet: „Was geschieht wenn Nichts geschieht?“ Und gibt es das überhaupt? Wohl nicht! Angesichts der sich rasant wandelnden Welt da draußen sind Organisationen und somit die Menschen, welche Führungsverantwortung übernommen haben, aufgefordert ihre Aufgaben zu priorisieren. Was hat höchste Dringlichkeit und was kann ich am längsten ungestraft mit weniger Aufmerksamkeit versorgen? – Und wie lautet Ihre Frage kurz vor dem Zenit des Jahres?