Getreu dem Motto "Gegensätze ziehen sich an" träumt unser Kollege Reinhard Schmitt von einer Vereinbarkeit zwischen der systemischen Organisationstheorie und New Work...
Seit einigen Jahren setze ich mich intensiv mit New Work auseinander und durfte die Wirksamkeit der damit verbunden Ansätze in der Praxis erleben. Zu meinem Bedauern veröffentlichen in den letzten Monaten einige Hardcore-Systemiker Bücher mit vehementen Gegendarstellungen zu New-Work-Ansätzen. Auch in meiner Brust schlägt ein systemisches Herz. Ich träume deshalb von einer Synergie der beiden Welten, zumal beide darauf abzielen, Organisationen effektiver und flexibler zu gestalten.
Folgende Synergien und Vereinbarkeiten drängen sich mir auf:
1. Ganzheitlicher Ansatz:
Die systemische Organisationstheorie betont die Ganzheitlichkeit von Organisationen und betrachtet sie als komplexe Systeme. Selbstorganisation ist ein Kernelement aller New-Work-Ansätze, um wirksam mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUKA) umzugehen. Beide Welten betrachten eine Organisation als ein zusammenhängendes System, in dem verschiedene Teile miteinander verbunden sind.
2. Selbstorganisation und Autonomie:
Beide Ansätze befürworten die Idee von Selbstorganisation und Autonomie. Die systemische Organisationstheorie betont, wie Organisationen sich selbst organisieren, um sich an ihre Umgebung anzupassen. New Work fördert ähnliche Prinzipien, indem es Mitarbeitern mehr Freiheit und Autonomie bei der Entscheidungsfindung gibt. Mit Blick auf die Anpassung der Organisation an ihre Umgebung und der damit verbundenen Erhöhung der Überlebensfähigkeit ermöglicht die Steigerung der Entscheidungsautonomie einen umfassenderen Zugang zu Wissen, Fantasie, Kreativität und Intelligenz der beteiligten Akteure.
3. Feedback- und Lernkultur:
Die systemische Organisationstheorie betont die Bedeutung lernender (bzw. verlernender) Organisationen. New Work-Ansätze fördern eine Feedback-Kultur durch regelmäßigen Blick auf die Arbeitsergebnisse (Reviews) und die Zusammenarbeit (Retrospektiven). Empirische Beobachtung: Die Lern- und Wandlungsfähigkeit einer Organisation korreliert 1:1 mit der Qualität der etablierten Feedback-Kultur.
4. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit:
Beide Ansätze unterstützen die Notwendigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Die systemische Organisationstheorie betont die Anpassungsfähigkeit von Organisationen an ihre Umgebung. New Work-Ansätze zielen darauf ab, die Organisation bei Arbeitsinhalten, Arbeitsformen, Arbeitszeiten und Arbeitsorten flexibler zu machen und sich so an ihre Umgebung viabler anzupassen.
5. Mitarbeiterbeteiligung:
Beide Ansätze legen Wert auf die Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse. Die systemische Organisationstheorie betont die Bedeutung von Partizipation und Kommunikation in Organisationen, die aus Entscheidungen bestehen und somit darauf angewiesen sind, dass Entscheidung auf Entscheidung folgt. New Work-Ansätze setzen auf partizipative bzw. autonome Entscheidungsfindung. Die Menge der Entscheider, die entscheidend mitentscheiden, steigt dadurch. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Entscheidungen in einer Menge, Geschwindigkeit und Qualität produziert werden, die die Organisation gerade in entscheidungsintensiven VUKA-Umgebungen braucht, um gut zu funktionieren.
6. Kommunikation und Transparenz:
Systemische Organisationstheorie betont die Rolle der Kommunikation und Transparenz in der Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses innerhalb der Organisation. New Work-Ansätze unterstützen diese Prinzipien, indem sie offene Kommunikation fördern und Transparenz in Entscheidungsprozessen und Strukturen anstreben.
Meines Erachtens trägt ein iterativer Transformationsprozess, der die Prinzipien beider Welten berücksichtigt, dazu bei, eine organische und lebendige Organisation zu schaffen, die sich in einer sich ständig verändernden Umgebung bestmöglich behaupten kann.