Jetzt mal ehrlich! 

Kulturentwicklung gibt es nicht!

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Ein Blitzlicht aus dem Beratungsalltag

Wir bearbeiten gerade verschiedene Projekte die im Zusammenhang mit dem Thema Kulturentwicklung stehen.  Interessant dabei ist für mich, wie viele Menschen bei unseren Kunden davon ausgehen, dass man Kultur zielgerichtet entwickeln kann. Dass man sich Kultur als Erfolgsdeterminante anschauen sollte entspringt in der Regel folgender Erkenntnis: Geht man über die rein mechanistische Vorstellung von Organisationen hinaus, findet man etwas, das großen Einfluss auf Entwicklung, Performance und Überlebens - bzw. Anpassungsfähigkeit an die sich verändernden Umweltbedingungen von Organisationen hat - die Kultur!

Trotz alledem werden Kulturentwicklungsprogramme nicht selten in einer mechanistischen Vorstellung angelegt: „Wenn wir x mehr tun, anders tun, wird sich die Kultur wie gewünscht entwickeln“ und dabei wird oft so getan als ob es eindeutig wäre was Kultur ist oder beinhaltet. Wenn wir Kultur untersuchen gibt es individuelle Aussagen dazu, eindeutige Häufungen aber auch Gegensätzliches. Es gibt unterschiedliche Beschreibung des gleichen Phänomens und es gibt unterschiedliche Perspektiven auf das was Kultur beeinflusst. Mit viel Aufwand lässt sich diese Vielfalt abbilden (beschreiben) und einige Kollegen tun dies in beeindruckender Weise (siehe z.B. Next Practice).

Das heißt aber nicht, dass es einen direkten Zugriff auf die Kultur gibt. Denn Kultur ist immer die Folge von etwas Vergangenem. Man könnte es auch als "geronnene Erfolgsgeschichte" beschreiben, etwas, dass sich im Kontext der Organisation irgendwie bewährt hat (Verhalten, Sprache, Erscheinung) oder auch Resultat einer tiefgreifenden Erfahrung ist. Dies kann durchaus Elemente enthalten die wir zunächst nicht unbedingt und grundsätzlich als "gut" oder erstrebenswert beschreiben und es kann sich lokal unterscheiden. Diese gesammelten Erfahrungen verfestigen sich in Glaubensätzen und beeinflussen alle Entscheidungen. Was uns bei unserer Arbeit noch auffällt: Alle Kulturentwicklungsprojekte denen wir begegnen sind defizitorientiert angelegt. In dem Duktus: Das wollen wir nicht mehr! Oder, wir wollen mehr davon. Die Frage lautet in der Regel nicht:

  • Welchen Nutzen hatten wir in der Vergangenheit davon, dass wir die Dinge so gemacht haben? Welche Aspekte der heutigen Organisation zahlen alle auf genau dieses nun zu verändernde Kulturelement ein (Strukturen, Prozesse, Persönlichkeiten)?  Wo überall lässt sich dieses Element in der Organisation beobachten? Welchen Preis hätte es, wenn wir dieses Kulturelement aufgeben? Wo genau kommt es eigentlich her?


Ein weiteres Phänomen, das ich oft beobachte ist, dass wenn ein "Defizit" ausgemacht wird oft das genaue Gegenteil als Ziel ausgegeben wird.  Wird beispielsweise eine Misstrauenskultur ausgemacht heißt es, wir brauchen eine Vertrauenskultur und nicht wie können wir mehr Vertrauen langfristig wahrscheinlich machen? Und es heißt schon gar nicht welchen Nutzen haben wir (bisher) von Nichtvertrauen? Je nach Alter und Erfahrungen der Organisation (vielleicht auch traumatischen Erfahrungen) ist eine Kultur entsprechend schwierig zu beeinflussen. Soll eine Kultur verändert werden, braucht es mutige Interventionen die eine Organisation wirklich irritieren oder aber langfristig angelegte Konsistenz. Beides ist leichter geschrieben als getan und ob das was man dann tut die Kultur in die gewünschte Richtung beeinflusst ist, wie gesagt, ungewiss.

 

Ein Zwischenfazit

Wollen Sie Kultur wirklich in eine bestimmte Richtung beeinflussen, so rechnen Sie mit dem Schlimmsten (Immunreaktion), haben Sie einen langen Atem (weniger und dafür ausdauernd), werden Sie an unterschiedlichsten Stellen tätig, probieren sie Neues und machen mehr davon, wenn es die gewünschten Resultate liefert, verändern Sie Strukturen und machen Sie nichts ohne die maßgeblichen Kulturvertreter. Letzteres halte ich für das interessanteste Phänomen in der Kulturentwicklungslandschaft. Oft sind die Kulturvertreter (die, die am ehesten für diese Kultur stehen) auch die, die als die erfolgreichsten Mitglieder einer Organisation beschrieben werden, wenn auch manchmal nur retroperspektiv. Und trotzdem werden sie in Kulturentwicklungsinitiativen oft nicht konsequent miteinbezogen oder sie werden nachrangig behandelt. Entweder weil sie zum Vorstand/Geschäftsführung/Leitungsebene gehören (und erst eine Erfolgsgeschichte präsentiert bekommen sollen oder aber sich selbst nicht als Teil des "Problems" verstehen) oder weil sie schon so lange dabei sind oder weil sie implizit als Ursache für ein bestimmtes Phänomen stehen oder weil diese Menschen sich gerade um andere wichtige Dinge kümmern müssen.

Manchmal sind es auch genau diese Organisationsmitglieder, die den Auftrag für eine Kulturentwicklung geben. Werden aber diese personifizierten Kulturträger nicht miteinbezogen, was wird wohl passieren, wenn eine Organisation in "schwieriges Gewässer" kommt und unter Druck gerät?  Genau - die bisherigen Erfolgsrezepte treten sofort und unmittelbar in den Vordergrund und damit ist jede Kulturentwicklungsinitiative tot. Bitte nicht falsch verstehen, das alles bedeutet nicht, dass man es nicht versuchen sollte. Man sollte nur nicht glauben, dass zuverlässig und einigermaßen vorhersagbar erreicht wird, was man erreichen möchte. Vielleicht erreicht man ja etwas anderes. Oder um es mit Steve de Shazer zu sagen: Wir können sagen was besser ist ohne zu wissen was gut heißt.

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