Vermutlich kennt es jeder und jede: Kaum ist der Jahreswechsel vorbei, startet das neue Jahr mit Volldampf. Die angeschobenen Projekte stehen an und wollen erledigt werden – Monate des Alltags voller Arbeit, dazwischen Freunde treffen, Freizeit gestalten und den Sommerurlaub planen. Der kommt schneller als gedacht, und dann wartet schon die zweite Jahreshälfte, die noch schneller zu vergehen scheint als das erste Halbjahr. Zack, ist das Jahr schon wieder rum, und die nächste Runde startet.
Nicht, dass ich unglücklich wäre mit meinem Dasein – ganz im Gegenteil. Ich schätze meine Arbeit mit Kundinnen und Kunden, Kolleginnen und Kollegen. Auch nach über 15 Jahren im Beruf als Weiterbildner und Begleiter von Führungskräften und ihren Teams wird es mir weder langweilig noch werde ich der Arbeit überdrüssig. Zudem gelingt es mir mittlerweile ziemlich gut, das „Selbst + Ständig“ – was ich als Freiberufler immer wieder scherzhaft zu hören bekomme – in ein meist angemessenes Maß an Ausgleich zwischen Beruf, Familie, Freizeit und „Me-Time“ zu bringen.
Dennoch ist in den letzten Jahren die Sehnsucht gewachsen, den PAUSE-Button zu betätigen, auch um zu erfahren, was dann passiert.
Ab April nächsten Jahres – so der Plan – werde ich mit meiner Partnerin, einer Chirurgin, ein neunmonatiges Sabbatical beginnen, um einerseits Freunde in Europa, Kalifornien und Kolumbien wiederzusehen und mich andererseits wieder der Sozialen Arbeit, meinem Ursprungsberuf, zuzuwenden. Und wie ich mich unzählige Male habe sagen hören: Wenn wir die Zone der Gewohnheiten verlassen, erwarten uns Gefühlslagen von Neugierde und Angst. Stimmt!
Die Entscheidung für das Sabbatical
Die Idee, ein Sabbatical zu nehmen, kam nicht über Nacht. Es war das Ergebnis vieler Gespräche und Überlegungen. Meine Partnerin und ich haben uns viele Jahre unseren Karrieren gewidmet und wollen nun unsere darin erworbenen Fähigkeiten und Ressourcen nutzen, um einen Beitrag für Menschen in weniger privilegierten Lebenslagen zu leisten. Bereits im Mai/Juni 2024 sind wir in die Dominikanische Republik gereist, um dort in einem Kinderdorf und einer Klinik tätig zu werden.
Innerlich frei machen für soziale Arbeit
Sich innerlich freizumachen für diese Arbeit bedeutet, sich von den alltäglichen Verpflichtungen und dem beruflichen Druck zu lösen. Es erfordert Mut, die bisherigen Gewohnheiten zu verlassen und sich auf das Unbekannte einzulassen. Für mich bedeutet es, meine Rolle als Berater und Organisationsentwickler vorübergehend abzulegen und mich voll und ganz auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort zu konzentrieren. Es ist eine Chance, neue Perspektiven zu gewinnen, Demut zu lernen und echte Verbindungen zu knüpfen.
Sorgen und Unsicherheiten
Natürlich gibt es auch Sorgen und Unsicherheiten. Eine der größten Fragen, die mich beschäftigt, ist, ob ich nach dem Sabbatical wieder an meine bisherigen Tätigkeiten anknüpfen kann (und will). Werde ich bzw. werden wir in der Lage sein, wieder in unseren Professionen tätig zu sein? Wollen wir das überhaupt noch, oder haben sich neue Horizonte eröffnet?
Und die aktuellste Frage zum Schluss: Ist es in einer Zeit, in der die Losung ausgegeben wird, dass wir in Deutschland wieder mehr arbeiten sollten, opportun, sich in ein Sabbatical zu verabschieden? Letztere kann ich klar und eindeutig beantworten – wohl wissend, dass es ein Privileg ist, mir diese (Aus)zeit nehmen zu können. Nachdem meine Tochter nun volljährig ist und meine eigenen Eltern zwar alt, aber glücklicherweise gesund sind, ist das Zeitfenster gerade offen und die Gelegenheit da – also wenn nicht jetzt, wann dann?
Vorfreude und Erwartungen
Trotz aller Unsicherheiten und offenen Fragen überwiegt die Vorfreude. Ich freue mich darauf, neue Menschen kennenzulernen, in andere Kulturen einzutauchen und gemeinsam mit meiner Partnerin in neuen Feldern einen Unterschied zu machen.
Noch ist es über ein Jahr hin – ich bin sehr gespannt auf das, was vor uns liegt und welche inneren Prozesse das auslösen wird. Nicht sicher bin ich mir auch bei der Frage, wie ich mit so viel Freiraum umgehen werde – bin auch ich es doch gewohnt, mein Sein mit Arbeit zu rechtfertigen. Geht’s auch ohne?
Ich freue mich darauf, unsere Erlebnisse und Erkenntnisse mit euch zu teilen. Stay tuned!