Die meisten Teams haben 1,5 Jahre mehr oder weniger virtueller Zusammenarbeit hinter sich. Eine Zeit, die zunächst für viele Teams von einem schockartigen Ändern bisheriger Muster geprägt war: Von der Zusammenarbeit in Präsenz zur Arbeit aus dem Home Office. Phase I war häufig krasse Pionierarbeit. Die physische und softwareseitige Infrastruktur musste zunächst mal ins Laufen gebracht werden und wurde mancherorts noch mit Telefonkonferenzen überbrückt.
In Phase II spürten viele, dass gewohnte Muster der Zusammenarbeit virtuell nicht 1:1 funktionieren und es veränderte Formen virtueller Führung und Zusammenarbeit bedarf. Bei der Gestaltung dieses neuen Raumes durfte ich seit Mitte 2020 Teams aus sehr unterschiedlichen Branchen mit „Virtuellen Teamentwicklungen“ unterstützen (und ebenso Führungskräfte zum Thema „Virtuelle Führung“).
Teams erleben auch im virtuellen Raum unterschiedliche Phasen der Zusammenarbeit
Zunächst ungewohnt, zeigte sich in meiner Arbeit, dass virtuellen Formate zwar anders funktionieren als Präsenzworkshops, dennoch deutlich mehr an Interaktion und Kooperation möglich ist, als von meinen Kund*innen und mir selbst angenommen. Hatte ich zu Beginn dieser Phase Teamentwicklungen noch im „klassischen“ 2-Tages Format gedacht und durchgeführt, wurde schnell deutlich, dass es verträglichere Dosen braucht, so dass wir häufig Halbtagesformate (bspw. 4 Sessions á 4 Stunden) wählten. Präsentationen und Arbeiten in break-out-rooms gehörten bald zum Standard virtueller Veranstaltungen, wenngleich selbst diese Funktionen von manchen Teams erstmalig erlebt wurden – und auch heute noch erlebt werden. Wir bei Process One glauben fest daran, dass Lernen nachhaltiger gelingt durch eigenes Erleben. Deshalb setzen wir in unseren Workshops immer auf eine Kombination aus Experimenten und Übungen. Die suchen wir mit Fokus auf das aktuelle Thema aus und reflektieren sie mit den Teams so, dass sie aus den gemachten Erfahrungen sich selbst die richtigen Fragen stellen und oft gute Antworten finden können. Dieses Prinzip in virtuelle Teamentwicklungen einzubringen, war mein Anspruch und zugleich eine echte Herausforderung: Wie kann es virtuell gelingen, dass Menschen kooperieren und gemeinsam Probleme lösen? Sehr hilfreich waren dazu unsere „Digital Hacks“, ein regelmäßig stattfindender Lern-Austausch interner und externer Berater*innen.
Neu in Phase II waren in manchen Projekten auch die Konstellationen der Teams. So durfte ich virtuell einen Abteilungsworkshop begleiten, bei dem vormittags die Kolleg*innen aus Singapur und Hongkong erstmalig im Workshop arbeiteten und nachmittags die Teams aus London und New York. In Präsenz war es bisher nie gelungen, diese Teams zusammenzuführen.
Lieber kürzere Formate und viel, viel mehr Interaktion als gedacht
Seit Sommer 2021 erlebe ich in einer Phase III, dass sehr viele Teams wieder ein Präsenz Offsite als Startschuss wählen. Häufig hat sich in der Pandemiezeit die Teamzusammensetzung verändert. Menschen sind hinzugekommen und viele haben sich noch nie live gesehen. So geht es primär darum, sich als Team zu erleben. Dabei braucht es oft gar nicht so viel Programm, sondern ausreichend Zeit, sich kennenzulernen. Dazu setzen wir gerne psychometrische Verfahren, wie z.B. das Insights Discovery, ein. Das erleichtert das Kennenlernen von sich selbst und anderen ungemein, weil es eine gemeinsame Sprache schafft, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu benennen.
Während Konflikte oft nicht der Anlass sind, wird deutlich, dass in vielen Teams nun neue Aushandlungsprozesse anstehen: Wer möchte wie arbeiten? Aber auch: Welche Formen der Zusammenarbeit erfordert die Aufgabe? Was hat sich in Phase II als nützlich herausgestellt und soll und darf bleiben? Wofür benötigen wir physische Anwesenheit? Hierbei setzen wir das Tool „Hybrid Work Canvas“ ein, um gezielt einen Austausch zu den relevanten Fragestellungen zu starten.
Wie umgehen mit neuen Teamkonstellationen?
Nun, Anfang November 2021 stellt sich mir die Frage, ob Phase IV vor der Tür steht. Werden Präsenzworkshops angesichts steigender Inzidenzen weiter stattfinden können oder werden wir noch einmal komplett ins Virtuelle zurückkehren?
Vermutlich werden die Antworten je nach Team und Lage sehr unterschiedlich ausfallen, aber egal wie sie ausfallen – eines ist sicher: Teamentwicklung ist notwendig und das aktuell mehr denn je.