Wer kennt sie nicht, diese kleinen Situationen: Du schickst eine wichtige E-Mail und erhältst keine Antwort. Du fragst Dich, ob sie bewusst ignoriert wird? Oder Du gibst im Meeting Feedback, doch deine Kollegin bleibt stumm. Ist sie gekränkt oder einfach nicht interessiert? Und dann gibt es natürlich noch die größeren Themen: Die Nachbarabteilung, die sich zum wiederholten Male nicht an Verabredungen hält. Dich bringt das in Rage: So funktioniert Zusammenarbeit doch nicht! Oder die vielen Köpfe, die bei Deinen Themen mitreden wollen. Sie sollen doch bitteschön in ihren Tanzbereich verschwinden und Dich Deinen Job machen lassen.
Im Alltag verbringen wir erstaunlich viel Zeit damit, über das Verhalten anderer nachzudenken und dieses zu bewerten. Wir malen uns aus, warum jemand etwas getan hat oder nicht getan hat und fällen oft unbewusst Urteile darüber. Unser Handeln fundieren wir dann auf Annahmen, Hypothesen oder stillen Erwartungen, statt dass wir sie mit unserem Gegenüber abgleichen. Damit entsteht der perfekte Nährboden für Konflikte.
In vielen Fällen entstehen Missverständnisse, weil wir uns auf diese inneren Gedankenmuster verlassen und sie nicht hinterfragen. Das gilt besonders für Konfliktsituationen, die sich über längere Zeit festgesetzt haben. In Meetings oder bei Projektzusammenarbeiten haben wir vielleicht das Gefühl, „alles schon gesagt zu haben“, doch die eigentlichen Probleme bleiben ungelöst, in der Sache stagniert es. Hier kommen die ungesprochenen Bedürfnisse und Gefühle ins Spiel – die oft ungenutzten Ressourcen in der Kommunikation.
Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GfK), stellte fest: „Ein Konflikt ist tragischer Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses.“ Wenn wir uns in Konflikten auf die Fakten und Urteile konzentrieren, verlieren wir leicht den Zugang zu den eigentlichen Beweggründen – unseren Gefühlen und Bedürfnissen. Warum ist mir das gerade so wichtig? Worum geht es mir eigentlich wirklich? Was liegt dahinter? Der Schlüssel zu einem gemeinsamen Weg und gegenseitigem Verständnis liegt oft darin, nicht Argumente und Gedanken auszutauschen, sondern die jeweiligen Bedürfnisse zu benennen und voneinander zu hören. Dann verlassen wir den Pfad der Anschuldigungen und benennen, was uns bewegt und wichtig ist.
Stellen wir uns folgende Situation vor: Eine Führungskraft wirft ihrem Teammitglied vor, ständig unzuverlässig zu sein, weil dieser wiederholt Deadlines verpasst. Statt klar über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen, wie z. B. das Bedürfnis nach pünktlicher Lieferung und klarer Kommunikation, bleiben die Vorwürfe auf der Ebene des Urteils hängen: „Du machst deine Arbeit nicht richtig!“
Was passiert, wenn wir den Fokus von den Urteilen weg auf unsere Gefühle und Bedürfnisse lenken? Ein alternativer Ansatz könnte dann so aussehen:
„Dieses Projekt ist wichtig für unsere Abteilung. Wenn ich sehe, dass Du erneut Deine Aufgaben nach der vereinbarten Zeit abgibst, bin ich frustriert, weil mir Pünktlichkeit wichtig ist und ich mich auf dich verlassen möchte.“
Durch diesen Ansatz wird das Gespräch von Schuldzuweisungen und Vorwürfen, von Angriff und Gegenangriff, auf eine konstruktive Ebene gehoben, auf der es um den Austausch von Bedürfnissen geht. Das Gegenüber wird einfacher antworten können, was bei ihm zu der Verzögerung geführt hat, und so kann ein zieldienlicher Austausch entstehen, der die Akteure lernen lässt und die Sache voranbringt.
Die volle Kraft der Kommunikation im Berufsleben bleibt oft ungenutzt, weil wir uns in Urteilen und Vorwürfen verlieren. Gefühle und Bedürfnisse sind die ungenutzten Ressourcen, die uns helfen können, Konflikte zu entschärfen und eine tiefere Verbindung zu schaffen – sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene. Indem wir lernen, unsere Bedürfnisse klar und wertschätzend auszudrücken und gleichermaßen die Bedürfnisse unseres Gegenübers offen zu hören (ohne direkt übereinstimmen zu müssen), schaffen wir eine Atmosphäre der Kooperation und des Vertrauens.
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Quelle: Rosenberg, B. Marshall (2023), Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation